Das Darmmikrobiom bei Hund & Pferd – einfach erklärt
Ich erlebe es immer wieder: Hunde mit ständigem Durchfall, Pferde mit unklaren Koliken oder einfach Tiere, die sich ‚irgendwie nicht wohlfühlen‘. Oft steckt die Ursache im Darm – genauer gesagt im Mikrobiom. Das ist kein Modebegriff, sondern eine wissenschaftlich belegte Realität. In diesem Beitrag erkläre ich dir aus meiner Sicht als Tierheilpraktikerin und Physiotherapeutin, warum das Darmmikrobiom bei Hund und Pferd so entscheidend für ihre Gesundheit ist, was es mit dem pH-Wert auf sich hat und warum ich das Thema nie ausklammere, wenn ich nach Ursachen suche.
Was ist das Mikrobiom – und warum reden plötzlich alle davon?
Früher sprach man von der Darmflora. Heute nennen wir es Mikrobiom – zu Recht. Denn es handelt sich nicht um Pflanzen, sondern um eine komplexe Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen: Bakterien, Pilze, Hefen, Archaeen und Viren. Diese kleinen Mitbewohner leben im Verdauungstrakt deines Tieres, vor allem im Dickdarm, und übernehmen dort vielfältige Aufgaben – bei der Verdauung, der Nährstoffversorgung, dem Immunsystem und sogar bei der Stimmungsregulation.
Wissenschaftlich belegt ist z. B. durch die Arbeiten von Sender et al. (2016, PLOS Biology), dass im menschlichen Körper etwa gleich viele mikrobielle wie körpereigene Zellen existieren. Beim Tier ist es nicht anders – das Mikrobiom ist ein echter Mitspieler.
Die wissenschaftliche Arbeit von Sender et al. findest du hier
Enzyme und ihre Rolle in der Verdauung
Enzyme sind Eiweiße, die biochemische Reaktionen im Körper beschleunigen – ohne selbst verbraucht zu werden. In der Verdauung sorgen sie dafür, dass Fette, Eiweiße und Kohlenhydrate aus dem Futter in kleinste Bestandteile zerlegt werden, damit sie anschließend über die Darmschleimhaut aufgenommen werden können. Schon im Speichel beginnt dieser Prozess, setzt sich im Magen fort und erreicht seinen Höhepunkt im Dünndarm. Ohne Enzyme wäre Verdauung praktisch nicht möglich.
Leber, Galle, Gallensaft & Bauchspeicheldrüse
Die Verdauung wird außerdem von mehreren Organen unterstützt, die eng mit dem Darm zusammenarbeiten:
– Die Leber produziert Galle, die über die Gallenblase (beim Hund) oder direkt (beim Pferd) in den Dünndarm gelangt. Galle enthält Gallensalze, die Fetttröpfchen im Futter emulgieren – das heißt, sie zerkleinern große Fettmengen in kleinere, besser verdauliche Bestandteile.
– Der Unterschied zwischen Hund und Pferd: Hunde besitzen eine Gallenblase, in der Galle gespeichert und bei Bedarf abgegeben wird. Pferde hingegen haben keine Gallenblase – sie produzieren und leiten Galle kontinuierlich in den Dünndarm weiter.
– Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist ebenfalls entscheidend: Sie produziert Verdauungsenzyme wie Lipasen (für Fette), Amylasen (für Kohlenhydrate) und Proteasen (für Eiweiße). Diese Enzyme werden in den Dünndarm ausgeschüttet und arbeiten dort gemeinsam mit der Galle.
All diese Organe müssen gut funktionieren, damit die mikrobielle Verdauung im Dickdarm überhaupt auf ein vorbereitetes Substrat trifft – sie sind der erste Akt im großen Verdauungstheater deines Tieres.
1. Die mikrobielle Verdauung – ein Gärprozess im Darm
Das Mikrobiom hilft deinem Tier, Futterbestandteile zu verwerten, die es selbst nicht verdauen kann. Ballaststoffe wie Cellulose oder Pektin können nur mithilfe der Mikroorganismen im Dickdarm abgebaut werden. Dabei spricht man von Fermentation – ein Gärprozess, bei dem Mikroben Nährstoffe in z. B. kurzkettige Fettsäuren umwandeln.
Pferde sind auf diese Fermentation angewiesen. Ihr Blinddarm ist eine echte Gärkammer. Hunde hingegen stammen vom Wolf ab – einem Fleischfresser. Sie haben sich im Laufe der Domestikation angepasst und können heute auch pflanzliche Nahrung besser verwerten als ihre Vorfahren. Studien wie die von Axelsson et al. (2013, Nature) zeigen, dass Haushunde mehr Gene für den Abbau pflanzlicher Stärke besitzen als Wölfe.
Eine Studie zur genetischen Anpassung von Haushunden an Stärke findest du hier.
2. Energie durch kurzkettige Fettsäuren
Bei der Fermentation entstehen kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Propionat und Butyrat. Diese Stoffe sind wahre Multitalente: Sie versorgen die Epithelzellen der Darmschleimhaut mit Energie, wirken entzündungshemmend und fördern die Regeneration. Epithelzellen kleiden die Darmwand aus, sorgen für Aufnahme von Nährstoffen und halten Krankheitserreger draußen. Ein gesunder Darm braucht gesunde Epithelzellen – und diese brauchen die richtigen Fettsäuren.
3. Vitamine aus dem Darm
Einige Mikroorganismen im Dickdarm sind in der Lage, B-Vitamine und Vitamin K selbst zu synthetisieren – also herzustellen. Der Körper kann diese Vitamine in gewissem Maße auch resorbieren, also aufnehmen. Zwar ist der Dünndarm effizienter darin, aber je nach Art und Zustand des Darms kann auch diese Quelle einen wertvollen Beitrag leisten.
4. Abwehrmechanismus gegen Krankheitserreger
Ein stabiles Mikrobiom blockiert krankmachende Keime, indem es Nährstoffe wegnimmt, Anheftungsstellen besetzt und antimikrobielle Substanzen produziert. Man spricht hier von Kolonisationsresistenz. Sie ist ein natürlicher Schutzschild deines Tieres.
5. Das Immunsystem und das GALT
Rund 70 % aller Immunzellen befinden sich im Darm – im sogenannten GALT (Gut-Associated Lymphoid Tissue). Dieses Gewebe ist dafür zuständig, Krankheitserreger zu erkennen und eine passende Immunantwort zu koordinieren. Ein gestörtes Mikrobiom kann hier zu Überreaktionen (z. B. Allergien) oder Schwächen (z. B. chronischen Infekten) führen.
6. Der pH-Wert – Balanceindikator im Darm
Der pH-Wert zeigt an, wie sauer oder basisch eine Lösung ist. Im Darm gibt er Aufschluss über das Milieu. Ein ausgewogener pH-Wert ist entscheidend, damit die ‚guten‘ Mikroben überleben und arbeiten können. Verschiebt sich der Wert durch Futter, Medikamente oder Stress, kann das zu einem Ungleichgewicht führen. Der pH-Wert ist also kein Auslöser, sondern ein Hinweisgeber – und ein wichtiges diagnostisches Werkzeug.
Unterschiede zwischen Hund und Pferd
Auch wenn sich Hund und Pferd den Lebensraum mit uns teilen, könnten ihre Verdauungssysteme unterschiedlicher kaum sein:
– Pferde sind Pflanzenfresser (Herbivoren) und benötigen ein großes, mikrobiell aktives Verdauungssystem, um rohfaserreiche Nahrung wie Heu zu verwerten. Der Blinddarm (Caecum) dient dabei als Gärkammer.
– Hunde stammen vom Wolf ab – einem Fleischfresser. Durch die Domestikation und Nähe zum Menschen haben sie sich teilweise zum Allesfresser entwickelt. Sie besitzen Gene, die den Abbau pflanzlicher Stärke unterstützen (Axelsson et al., 2013), doch ihre mikrobielle Ausstattung ist weniger auf Dauerfermentation ausgelegt als beim Pferd.
Diese Unterschiede sind entscheidend, wenn man das Mikrobiom verstehen – und gezielt unterstützen – möchte.
Warum ist das Mikrobiom so sensibel?
Das Mikrobiom ist ein hochkomplexes Ökosystem, das auf Gleichgewicht angewiesen ist. Schon kleine Veränderungen im Alltag können es aus dem Takt bringen:
– plötzliche Futterumstellungen
– Medikamente wie Antibiotika oder Entwurmungsmittel
– Stress, Schmerzen, Bewegungsmangel
– Stallwechsel oder Urlaubsunterbringung
Ein gestörtes Mikrobiom kann Symptome auslösen, die auf den ersten Blick gar nicht mit dem Darm in Verbindung stehen – zum Beispiel Hautprobleme, Unruhe oder eine verminderte Leistungsbereitschaft.
Ganzheitliche Betrachtung & Mikrobiomanalyse
In meiner Arbeit betrachte ich nicht nur ein Symptom, sondern das gesamte Tier – Haltung, Fütterung, Umfeld und Vorgeschichte. Denn nur wenn ich die Ursache finde, kann ich gezielt behandeln.
Eine Mikrobiomanalyse liefert wertvolle Hinweise:
– Ist das Verhältnis der Mikroorganismen ausgewogen?
– Gibt es dominante Keime oder Fehlbesiedlungen?
– Wie ist der pH-Wert im Dickdarm?
– Gibt es Hinweise auf eine chronische Belastung?
Solche Analysen lassen sich einfach über Kotproben durchführen und geben – kombiniert mit meinem klinischen Blick – ein aussagekräftiges Bild.
Fazit: Kleine Helfer – große Wirkung
Das Mikrobiom ist nicht einfach nur ‚Darmbesiedlung‘. Es ist ein eigener Organismus im Organismus – und wirkt an Stellen, die man ihm gar nicht zutraut. Es unterstützt den Stoffwechsel, das Immunsystem und die Stimmung. Deshalb lohnt es sich immer, bei gesundheitlichen Problemen auch den Darm mitzudenken – besonders wenn herkömmliche Behandlungen nicht greifen.
Interesse an einer Mikrobiom-Analyse für dein Tier?
Du hast das Gefühl, dass im Darm deines Hundes oder Pferdes etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist? Dann schreib mir gern eine Nachricht. Gemeinsam schauen wir, ob eine Analyse sinnvoll ist – und was du für das innere Gleichgewicht deines Tieres tun kannst.
📍 Ich bin mobil unterwegs in Schleswig-Holstein, Hamburg und Nord-Niedersachsen.